Wir (Kai und ich) hatten total schlecht geschlafen. Um vier Uhr schüttelte ich endlich das feuchte Bettlaken ab und stieg im feuchten Zelt wieder in die nasse Radhose. Die wenigen Meter zum Essenssaal reichten, um mit totalem Schüttelfrost und blass anzukommen. Alex und Veikko waren gerade erst von der gestrigen Etappe angekommen und Alex begrüßte mich mit einem herzlichen “Du siehst aber Scheiße aus”. Aber immerhin hatte ich zwei Stunden frierend geschlafen, im Gegensatz zu ihm 😉
Wir fuhren wieder morgens um 5 Uhr los. Der Plan für heute hieß: Zurück nach Mortagne-au-Perche.
Zuerst ging es im Dunklen über 50 km nach Loudéac (gesamt 782 km), wo wir um 7:50 Uhr ankamen. Damit hatten wir die Pause in der Nacht wieder aufgeholt: Bis 8:31 Uhr hätten wir Zeit gehabt.
Mit unserem großen Frühstück waren wir gerade fertig, als Alex und Veikko eintrafen, die aber ebenfalls gleich weiterfuhren.
In Quédillac (gesamt 842 km) hatten wir auf dem Hinweg sehr gut geschlafen. Jetzt, auf dem Rückweg, wurde schon langsam mit dem Rückbau der Verpflegungsstation begonnen. Es waren nicht mehr sehr viele Radfahrer da. Trotzdem machten wir in Quédillac eine kurze Pause mit 15 min Powernap.
Bei mir stellte sich eine blöde Verkrampfung im rechten unteren Rücken ein, so dass ich inzwischen regelmäßig anhalten und mich dehnen musste. Gleichzeitig kam mir der heutige Tag besonders heiß vor. Wir waren also ganz froh, dass nach wie vor viele Zuschauer an der Strecke standen und oft auch kostenlose Verpflegung anboten.
Um 13:30 Uhr erreichten wir wieder Tinténiac (gesamt 867 km). Wir blieben nur kurz, aßen und tranken, dann ging es gleich weiter.
Unterwegs gab es immer wieder tollen Schmuck am Wegesrand, so dass ich mich manchmal an die Bilder von der Tour de France erinnert fühlte.
Nachmittags war es dann wirklich heiß. Die Hitze und der fehlende Schlaf ließen uns auch mal einen 10 min Powernap in einem Seitenweg machen. Ich fragte mich, warum ich nicht öfter einmal auf einer schattigen Wiese lag und durch die Blätter über mir in den Himmel schaute.
Um 17:15 Uhr erreichten wir Fougères (gesamt 928 km). Am Hinweg hatten wir hier am Ortsausgang den Unfall des ohnmächtigen Amerikaners erlebt. Aber das kam uns jetzt nicht mehr in den Sinn.
Wir aßen und tranken (u.a. einen Liter Orangensaft), dann ging es gleich weiter. Wir hatten noch viel vor heute.
Unterwegs kamen wir immer wieder durch hübsche, lebhafte Ortschaften, wie Lassay-les-Chateaux, wo auch in der Nacht noch sehr viele Menschen in den Kneipen saßen und jeden einzelnen Fahrer feierten.
Gegen 23:00 Uhr erreichten wir Villaines-La-Juhel (gesamt 1018 km). Es ging abwärts in die Stadt, das Rd rollte von allein, alles schien plötzlich leicht. Auch hier war die Ortschaft und der Weg zur Kontrollstelle so voll mit Menschen, dass ich für einen Augenblick dachte, wir wären schon im Ziel. Waren wir natürlich nicht.
Im Gegenteil: Heute spürte ich die Kilometer, vor allem wegen meines Rückens. Ich hatte Schmerzen und saß teilweise sehr schräg auf dem Rad. Kai fragte mich, ob ich noch fahrtauglich sein. Aber zum Glück war ich wenigstens im Kopf noch klar und nicht übermüdet, so dass ich keine Gefahr sah.
Wir machten wieder ein Powernap, gut für meinen Rücken und für Sekundenschläfe. Dann ging es auf die letzte Etappe des Tages, ca. 90 km nach Mortagne-au-Perche.
Schön an der Etappe war, dass wir fast keine Autos mehr sahen. Im Gedächtnis bleiben werden mir die vielen herrenlosen, gut beleuchteten Fahrräder und Zomies am Straßenrand, die scheinbar vor Müdigkeit vom Rad gefallen waren oder eben mit letzter Kraft in den Straßengraben navigiert sind. Und die endlosen Anstiege mit endlosen Reihen von roten Rücklichtern der vor uns fahrenden. Schlimm waren die Rückenschmerzen, die in Intervallen immer schlimmer wurden, bis wir wieder kurz anhalten und ich mich dehnen musste. Das passierte mindestens 5x auf dieser Etappe.
Einmal überholte uns eine Gruppe von Radfahrern und bog dann irgendwo ab. Ich wollte aber gradeaus weiterfahren, weil ich die Gruppe für ein einen Radsportverein beim Vereinstraining hielt. Kai war fassungslos, wie ich nachts, gegen 2-3 Uhr, auf so eine Idee kommen konnte. Scheinbar war der Kopf inzwischen auch etwas müde geworden.
Endlich, gegen 4:50 Uhr, kamen wir in Mortagne-au-Perche an (gesamt 1099 km). Insgesamt hatten wir “heute” wieder 370 km und mehr als 3000 hm geschafft.
Wir versuchten erst gar nicht, uns eine Unterkunft zu suchen, sondern legten uns im Eingangsbereich irgendwo hin. Aber vorher gabs noch ein Bierchen, wie jeden Abend!